Der Fasfräser SpyroTec verfügt über eine spiralisierte Schneide.

Ein Fräser, der ins Volle arbeiten kann, danach sucht die Weihbrecht Lasertechnik GmbH vergeblich. Das Unternehmen fertigt Trittschutzleisten für das Großprojekt CCH – Congress Center Hamburg. Der neue „SpyroTec“ von Gühring rettet den Auftrag.      

Ab 2021 wird es neue Maßstäbe setzen: das CCH – Congress Center Hamburg. Mit 36.000 Quadratmetern Fläche wird es eines der größten und modernsten Kongresszentren Europas. Dann wird seine gebäudehohe, lichtdurchflutete Eingangshalle Besucher aus aller Welt empfangen. Wer hier genauer hinschaut, wird breite Stufen aus hellem Naturstein sehen, verziert mit Trittschutzleisten aus edler Bronze.

Diese Trittschutzleisten sind nur winzige Details in einem Riesenprojekt und doch steckt ihre Herstellung voller Herausforderungen. Denn um sie perfekt an die scharfen Kanten der Steinstufen anzupassen, müssen die Bronzeteile mit einem möglichst geringen Biegeradius gekantet werden. Bronze ist aber spröde und gerade bei sehr langen Bauteilen besteht die Gefahr, dass das kostspielige Material bricht. Dieser Umstand schreckte viele Unternehmen ab.

Nicht aber die Firma Weihbrecht: „Wir haben den Ruf am Markt, dass wir uns an Dinge herantrauen, die sonst niemand machen will“, erklärt Geschäftsführerin Franziska Weihbrecht-Stein. Sie hat das mittelständische Unternehmen in Wolpertshausen (Landkreis Schwäbisch Hall) von ihrem Vater übernommen. Vor 30 Jahren hatte dieser sich einen Namen gemacht, als erster deutscher Anwender von Lasertechnik in der Metallverarbeitung. Seitdem hat sich das Unternehmen zu einem Komplettanbieter entwickelt: Vom Gießen und Schneiden über Biegen, Schweißen, Kanten und Fräsen bis zur Montage – alles aus einer Hand.

Auch die Herausforderung, Trittschutzleisten aus Bronze zu schneiden und zu biegen, nahm die Firma Weihbrecht gerne an. Damals ahnten die Mitarbeiter nicht, dass der Auftrag noch deutlich komplizierter werden sollte.

Lange Treppenschutzleisten aus Bronze sollen mit Nuten versehen werden.

Ein Auftrag mit Tücken: Lange Treppenschutzleisten aus Bronze sollen mit Nuten versehen werden.

Marktlücke macht Auftrag technisch unmöglich

Gruppenbild

Gemeinsam für ein perfektes Ergebnis (von links): Geschäftsführerin Franziska Weihbrecht-Stein, Joachim Peter (Weihbrecht), Heiko Werner (Weihbrecht), Ingo Wagner (Gühring).

Optik allein reicht oft nicht aus – das gilt auch für das CCH. Die glatten Stufen gaben zunächst den Schuhen künftiger Besucher kaum Halt. Um sie rutschfest zu machen, sollten zusätzlich Rillen in die Trittschutzleisten eingebracht werden.

Das Problem: Diese Nuten mussten mit einem Eintauchwinkel von 90 Grad gefräst werden. Doch im Herbst 2019 gab es keinen Fräser auf dem Markt, der eine solche Vollnut fräsen konnte. Joachim Peter, technischer Leiter bei Weihbrecht, erinnert sich: „Es wäre ganz einfach gewesen zu sagen: Nein, das können wir nicht. Dann hätten wir den Kunden im Regen stehen lassen. Aber das wollten wir nicht.“ Also suchten die Zerspaner nach einer Lösung, probierten mit Stichel und anderen Werkzeugen händisch Nuten zu formen. Doch bei der Dimension des Auftrags wäre das unwirtschaftlich gewesen.

Durch Zufall bekamen sie zwei Tage später die Lösung geliefert – von einem Mitarbeiter des Werkzeugherstellers Gühring. Ingo Wagner betreut Weihbrecht seit drei Jahren im Außendienst. Auf den drei CNC-Fräsmaschinen der Zerspanungsabteilung kommen fast ausschließlich Werkzeuge von Gühring zum Einsatz. Eigentlich kam Wagner nur für einen Routinebesuch vorbei, die Messeneuheiten von der EMO 2019 im Gepäck. Doch bei einer Weltneuheit wurden Joachim Peter und seine Kollegen hellhörig.

Problemlöser: Der Fasfräser „SpyroTec“ mit Stirnschneiden

Wagner stellte den „SpyroTec“ vor, einen Fasfräser mit einer komplett neuen geometrischen Gestaltung der Schneiden- und Spannutenform. Der Fräser eignet sich perfekt zum Herstellen von langen Fasen bei hohen Geschwindigkeiten. Auch in weichen und zähen Werkstoffen sorgt er für beste Oberflächengüten und einen weichen Schnitt bis zum Boden der Bauteile.

Aber vor allem verfügt der „SpyroTec“ neben den fünf ungleich spiralisierten Umfangs-Schneiden auch über eine schneidfähige Stirngeometrie. Das Ergebnis: Wo andere Werkzeuge brechen, kann der „SpyroTec“ die 90°-Nut ins Volle fräsen. Dabei weist er eine besonders hohe Laufruhe auf, gerade auch bei voller Schnitttiefe, weshalb der Zerspaner höhere Schnittparameter wählen kann. Dank der hohen Zähnezahl können mit dem Fasfräser außerdem höhere Vorschübe gefahren werden. Eine ungleiche Schneidenteilung reduziert dabei zuverlässig Vibrationen. Die Kombination aus robustem Feinstkorn-Hartmetall und einer speziell ausgelegten TiAIN-Beschichtung erhöhen Verschleißfestigkeit und Warmhärte, wodurch hohe Standzeiten erreicht werden können.

Der Fasfräser SpyroTec in der Seitenansicht

„Ohne den SpyroTec hätten wir den Auftrag nicht angeboten“

Heiko Werner

„Ohne den SpyroTec hätten wir den Auftrag nicht angeboten“, sagt Heiko Werner, der die Zerspanungsabteilung bei Weihbrecht leitet. Ein Probelauf überzeugte ihn: „Wir haben uns gesagt, jetzt versuchen wir es einfach, wir hatten ja nichts zu verlieren!“

Fasfräser „SpyroTec“ fräst knapp einen Kilometer Bronze

Im Juni 2020 war es soweit: Weihbrecht hatte den Auftrag bekommen, die Serienfertigung konnte beginnen. Eine Wasserstrahlschneidanlage schnitt die Bronzebleche in 113 Teile mit bis zu 1,90 Metern Länge. Anschließend entgrateten die Mitarbeiter die Werkstücke und kanteten sie auf einer Biegemaschine. Bevor es an das Fräsen der fünf Nuten pro Bauteil ging, passte ein Anwendungstechniker von Gühring noch einmal alle Parameter an.

Die Trittschutzleisten wurden über Spannpratzen auf eine Portal-Fräsmaschine der Firma POS gespannt. Die Maschine verfügt über eine HSK63-Spindel mit 10.000 U/min bis 30 KW sowie Innen- und Außenkühlung. Die Spannung des „SpyroTec“-Fräsers erfolgte über ein Schrumpffutter.

„Es war ein Schuss ins Blaue“, erinnert sich Joachim Peter. „Zu diesem Zeitpunkt wusste niemand: Bewahrheiten sich die Schnittdaten von Gühring in der Serie? Und wie viele Werkzeuge brauchen wir vom Verschleiß her?“ Nach drei Wochen waren alle Leisten lieferfertig. In dieser Zeit hatten sich zwei Fräser durch knapp einen Kilometer (930 m) Bronze gefräst.

Ein Mitarbeiter spannt das Werkzeug in die Maschine ein.

Weihbrecht-Mitarbeiter Joshua Malcharczyk stellt die Portal-Fräsmaschine der Firma POS für die Bearbeitung ein.

Erwartungen übertroffen: Kaum Verschleiß trotz Vibrationen

Der Fasfräser Spyrotec in Aktion

Die Zerspanungsexperten von Weihbrecht sind erleichtert: „Wir waren froh, dass wir die Schnittdaten sogar überbieten konnten“, erklärt Joachim Peter. Und auch Heiko Werner ist zufrieden: „Ich habe mit mehr Verschleiß gerechnet aufgrund der Vibrationen, denn wir konnten das Werkstück nicht richtig festspannen. Verschleiß hatten wir aber fast keinen an den Werkzeugen.“

Für den „SpyroTec“ war es eine außergewöhnliche Anwendung, wie Gühring-Spezialist Ingo Wagner erklärt: „Dieser Fräser ist eigentlich ein Fasfräser, doch hier hat er eine Vollnut gefräst. Für so eine Bearbeitung ist das Werkzeug eigentlich nicht ausgelegt ­– aber man kann es damit machen.“

Und auch für Joachim Peter war der Auftrag etwas Besonderes: „Bei allen anderen Bearbeitungsleistungen sind wir mit Tausenden vergleichbar. Aber das war ein Projekt, das niemand anderes machen wollte. Und wir haben gesagt, wir versuchen es. Und haben es hinbekommen.“ Für Peter ist genau das die Philosophie bei Weihbrecht, „dass wir immer zu einem guten Ergebnis kommen für unseren Kunden.“ Das zahlt sich aus, denn der erfolgreiche Abschluss hat Weihbrecht sogar einen Folgeauftrag eingebracht: 120 weitere Bauteile für das CCH.

Der Spezialist für Sonderlösungen: Die Weihbrecht Lasertechnik GmbH in Wolpertshausen

Fasfräser Metall

In der Metallbearbeitung wird ein Fasfräser eingesetzt, um eine Fase herzustellen. Eine Fase ist eine abgeschrägte Fläche entlang der Werkstückkante. Einer der Hauptgründe für das Anfasen von Metall, Stahl oder Edelstahl, ist die Vorbereitung einer Schweißnaht. Der Fasfräser „SpyroTec“ kann allerdings auch ins Volle fräsen und dadurch, statt einer Fase, eine Nut herstellen.

Fasfräser verstellbar

Sollen Fasen gefräst werden, die einen größeren Durchmesser erfordern, kommen oft Wendeschneidplatten zum Einsatz. Diese werden auf einen Schaft geklemmt und sind verstellbar.

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